OLG Frankfurt vom 23.11.2009 (5 WF 247/09)

Stichworte: Vergleich, Verzicht, Einigungsgebühr
Normenkette: RVG 2 Abs. 2 VV 1000, 1003 VersAusglG 10, 51 VV 1000, 1003, VersAusgleG 10
Orientierungssatz:
  • Die Vereinbarung über den Verzicht auf eine Durchführung des Versorgungsausgleichs löst seit Einführung des VersAusglG die Einigungsgebühr aus, weil nach § 10 VersAusglG ein Hin- und Herausgleich stattfindet und somit Verzichtsvereinbarungen nicht mehr einseitig sind.
  • Das gilt auch für Vereinbarungen vor dem 31.08.2009, weil § 51 VersAusglG den späteren Übergang ins neue Recht eröffnet, wenn keine entgegenstehende Vereinbarung vorliegt.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen (Der Einzelrichter) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Staatskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor beim Landgericht Hanau, vom 13.10.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 06.10.2009 am 23. November 2009 beschlossen :

    Die Beschwerde der Staatskasse wird zurückgewiesen.

    Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

    Gründe:

    Der Antragstellervertreter und Beschwerdegegner hat sich zunächst mit einer Erinnerung gegen die Absetzung der Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV zu § 2 Abs. 2 RVG im Rahmen der Abrechnung der Vergütung als beigeordneter Anwalt für die Mitwirkung an einem Vergleich der Parteien über den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs gewendet. Daraufhin hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss durch den zuständigen Richter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG die Einigungsgebühr in Höhe von 85 Euro zuzüglich 19 % MWSt. bewilligt und die Gesamtvergütung auf 833 Euro festgesetzt.

    Die dagegen gerichtete, vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde der Staatskasse ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 RVG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

    Der Staatskasse ist zuzugeben, dass sich die Vereinbarung, an der ein Anwalt mitgewirkt hat, nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränken darf (amtl. Anm. I 1 zu VV 1000). In der neueren Rechtsprechung ist allerdings streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen im Einzelfall die Vereinbarung über den Verzicht auf eine Durchführung des Versorgungsausgleichs die Einigungsgebühr auslöst. Sofern noch unklar ist, ob ein Ausgleichsanspruch bestand und wer ausgleichspflichtig sein würde, wird weithin angenommen, die Einigungsgebühr falle an (OLG Zweibrücken, 6 WF 73/09, OLGR 2009, 581; OLG Naumburg, 3 WF 229/08, OLGR 2009, 429; OLG Köln NJW 2009, 237; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463 f.; OLG Celle FamRZ 2007, 2001; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 1000, Rdnrn. 186 ff. m.w.N.), weil dann beide Parteien wechselseitig auf ungewisse Ansprüche verzichten.

    Soweit allerdings - wie im vorliegenden Fall - der Verzicht im Hinblick darauf vereinbart wird, dass sich nach erteilten Auskünften nur ein geringer Ausgleichsbetrag ergeben hat, geht die überwiegende Meinung dahin, eine Einigungsgebühr entstehe nicht, zumal beim bisherigen "Einmalausgleich" nach § 1587b BGB a. F. letztlich immer nur eine Partei verzichtet (OLG Hamm, Beschlüsse vom 29.03.2007, 6 WF 91/07, vom 08.01.2007, 6 WF 171/06, und vom 25.01.2007, 6 WF 360/06, OLGR 2007, 230 f.; in diesem Sinne auch OLG Stuttgart, 8 WF 104/06, FamRZ 2007, 232; OLG Karlsruhe, 16 WF 108/06, FamRZ 2007, 843. Diese Rechtsprechung, die zum alten Versorgungsausgleichsrecht ergangen ist, kann jedoch unter der Geltung des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes nicht beibehalten werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch nach dem bis 31.08.2009 maßgeblichen Recht zu treffen war.

    Nach §§ 10 ff. VersAusglG ist künftig ein Hin- und Herausgleich für jedes einzelne Anrecht der Beteiligten vorzunehmen, das heißt, das Prinzip des Einmal-ausgleichs, auf dem die bisherige herrschende Meinung beruhte, besteht nicht mehr. Das Amtsgericht weist zutreffend darauf hin, dass Entscheidungen, die nach dem bisherigen Recht getroffen worden sind, gemäß § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG einer Abänderung unterliegen können. Bei einer wesentlichen Änderung des Ausgleichswertes für auch nur ein Anrecht ist dann im Wege einer Totalrevision nach dem neuen Recht zu entscheiden. Das bedeutet, in jedem Fall eines generellen Verzichts beider Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs handelt es sich nicht nur um einen einseitigen Verzicht einer Partei, sondern im Hinblick auf die ansonsten jederzeit noch denkbare Umstellung von Altentscheidungen auf das neue Recht immer um einen wechselseitigen Verzicht zur Beseitigung einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis.

    Nach allem ist der Auffassung des Amtsgerichts zu folgen, dass die Einigungsgebühr entstanden und antragsgemäß festzusetzen ist.

    Schwamb