OLG Frankfurt vom 06.10.1999 (5 UF 68/99)

Stichworte: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Fristversäumung, Verschulden, Zurechnung
Normenkette: ZPO 85, 233
Orientierungssatz: Zur Zurechnung eines Verschuldens des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten bei der Frage der Wiedereinsetziung; zum Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des 0berlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 08.12.1998 am 06.10.1999 beschlossen:

Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist versagt.

Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 6.955,00 DM.

G r ü n d e :

Die von den Parteien am 21.02.1975 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 14.08.1998 geschieden. Mit Beschluß vom selben Tag wurde das Verfahren den Versorgungsausgleich betreffend abgetrennt.

Mit Beschluß vom 08.12.1998 hat sodann das Amtsgericht den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es vom Konto der Antragstellerin bei der BfA Berlin Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 93,25 DM auf das Konto des Antragsgegners bei der LVA Hessen übertragen und zum anderen zu Lasten der Anwartschaften der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 486,36 DM auf dem Konto des Antragsgegners bei der LVA Hessen begründet hat.

Dieser Beschluß wurde der Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin am 10.02.1999 zugestellt (Bl. 71 d. A.).

Mit Schreiben vom 17.03.1999 bat die Antragstellerin persönlich um eine Unterredung mit dem erstinstanzlichen Richter, da sie mit dem Versorgungsausgleich nicht zufrieden sei und diesen nicht unwidersprochen hinnehmen könne. Dieses Schreiben wurde sodann als Beschwerde gewertet. Mit Verfügung vom 30.03.1999 seitens des Vertreters des Vorsitzenden des Senats wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, daß das Rechtsmittel unzulässig erscheine, da es zum einen nicht bei einem beim Oberlandesgericht zugelassenen Anwalt eingelegt worden und zum anderen das Rechtsmittel verspätet sei. Mit Schriftsatz vom 15.04.1999 - eingegangen am selben Tag - hat sich für die Antragstellerin der beim 0berlandesgericht zugelassene Rechtsanwalt M. gemeldet und beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Antragstellerin sei unverschuldet gehindert gewesen, die Beschwerdefrist einzuhalten. Sie habe von der erstinstanzlichen Rechtsanwältin am 21.02.1999 den Beschluß erhalten ohne eine Belehrung über Rechtsmittel. Da sie mit diesem Beschluß nicht einverstanden gewesen sei, habe sie sich sofort um einen Termin bei der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten bemüht, der dann für den 03.03.1999 vereinbart worden sei. Dieser habe aber dann wegen Krankheit der Bevollmächtigten nicht stattgefunden und sei auf den 11.03.1999 verschoben worden. In diesem Termin habe die erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte erklärt, daß ein Rechtsmittel nicht mehr möglich und der Beschluß unanfechtbar sei.

Die Beschwerde ist verspätet.

Nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 10.02.1999 lief die Beschwerdefrist des § 621 e Abs. 3 i. V. m. § 516 ZPO am 10.03.1999 ab. Die unzulässigerweise beim Erstgericht eingelegte Beschwerdeschrift der Antragstellerin selbst vom 17.03.1999 ging beim 0berlandesgericht erst am 29.03.1999 ein, der Antrag auf Wiedereinsetzung am 15.04.1999.

Die nachgesuchte Wiedereinsetzung war zu verweigern. Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vom 15.04.1999 läßt nicht erkennen, daß die Berufungsfrist ohne Verschulden der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin versäumt worden ist. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung ist nur dann begründet, wenn unverschuldete Fristversäumung vorliegt. Ohne Verschulden bedeutet Fehlen von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Es ist dabei auf das Verhalten der Partei oder ihrer Prozeßbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO abzustellen. Nach § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden eines Prozeßbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich, das heißt, daß sich die Partei Fehler des Bevollmächtigten zurechnen lassen muß. Dies gilt auch in Familiensachen. Dabei muß das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten an einer Fristversäumung dem Vertretenen selbst zugerechnet werden.

Im vorliegenden Fall besteht ein Verschulden der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin. Zwar hat sich die Antragstellerin nach Erhalt der Entscheidung des Amtsgerichts umgehend mit ihrer Prozeßbevollmächtigten in Verbindung gesetzt, um einen Termin zu vereinbaren, der unwidersprochen auf den 03.03.1999 anberaumt wurde. Dieser Zeitpunkt wäre noch in der Frist des § 516 ZPO gewesen. Durch die Krankheit der Prozeßbevollmächtigten konnte dieser Termin jedoch nicht eingehalten werden und der auf den 11.03.1999 verschobene Termin lag nach Ablauf der Beschwerdefrist. Zwar dürfte eine eintretende Krankheit zu einem entschuldbaren Ereignis führen. Bei ordnungsgemäßer Büroführung wäre jedoch die Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin gehalten gewesen, eine Vertretung zu bestellen, die auch ablaufende Rechtsmittelfristen zu überwachen gehabt hätte. Die Rechtsmittelfrist lief am 10.03.1999 ab, in der Zeit zwischen dem 03.03. und dem 10.03.1999 wäre noch Zeit gewesen, bei ordnungsgemäßer Vertreterbestellung, entsprechendes zu veranlassen und dafür zu sorgen, daß keine Fristversäumung eintritt. Der Prozeßbevollmächtigte ist grundsätzlich verpflichtet, durch geeignete Anweisungen an sein Büro für die Erledigung von Fristsachen zu sorgen und gegebenenfalls einen Vertreter hinzuzuziehen (§ 53 BRAO, BGH VersR 94, 1207). Solche Anweisungen an sein Personal hat ein Rechtsanwalt allgemein schon vorsorglich zu treffen, denn er kann je nach Art seiner Erkrankung unter Umständen nicht mehr in der Lage sein, die vorher unterlassene Anweisung der Bestellung eines Vertreters nachzuholen. Daß es der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin nicht zumutbar gewesen sein soll, im Krankheitsfall gemäß § 53 BRAO für eine Vertretung zu sorgen, ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Es ist auch im übrigen nicht dargelegt, welcher Art die Erkrankung der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin war, ob dies eine plötzlich auftretende Erkrankung, gegebenenfalls mit stationärem Aufenthalt und Operation war oder ob es sich um einen grippalen Infekt handelte, der die erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte noch in die Lage hätte versetzen können, entsprechende telefonische Anweisungen dem Büro zu übermitteln.

Auch der Einwand der Antragstellerin der mangelnden Rechtsmittelbelehrung greift nicht durch. Eine Rechtsmittelbelehrung schreibt die Prozeßordnung nicht vor. Außerdem war das erstinstanzliche Verfahren ein Anwaltsprozeß. Gegenüber Rechtsanwälten ist eine Rechtsmittelbelehrung nicht erforderlich, da sie Kenntnis haben müssen von den Möglichkeiten der Rechtsmitteleinlegung, der Art der Rechtsmitteleinlegung und der sich daraus ergebenden einzuhaltenden Rechtsmittelfristen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Meinecke Held Schweitzer