OLG Frankfurt vom 22.02.2011 (4 UF 13/11)

Stichworte: Umgang; Antrag; Anregung; Erfolgsaussicht; Kosten; Erledigung;
Normenkette: FamFG 81 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 83 Abs. 2, 23, 24; BGB 1684 Abs. 3;
Orientierungssatz: Leitet das Familiengericht auf einen als Anregung auszulegenden "Antrag" eines Elternteils ein den Umgang betreffendes Kindschaftsverfahren ein, kann es seine spätere Kostenentscheidung nicht darauf stützen, dass der "Antrag" von vornherein aussichtslos war und der "Antragsteller" dies erkennen musste.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 04.01.11 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 16.12.2010 am 22.02.2011 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass sich die Hauptsache erledigt hat.

Die Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszugs tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 608,33 Euro.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Kosten einer zwischen ihnen anhängigen Kindschaftssache betreffend das Umgangsrecht der Antragstellerin mit dem beim Antragsgegner lebenden 17-jährigen Sohn der Beteiligten.

Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 30.08.2010 beim Amtsgericht eine dahingehende Regelung des Umgangs mit ihrem damals noch 16- jährigen Sohn, dass sie diesen jedes zweite Wochenende jeweils von Freitagabend bis Sonntagabend zu sich nimmt. Zum damaligen Zeitpunkt lehnte der Sohn jeglichen Kontakt zu ihr ab. Die Antragstellerin äußerte die Vermutung, ihr Sohn werde insoweit vom Antragsgegner beeinflusst.

Das Amtsgericht leitete daraufhin ein Verfahren ein, wies den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für dieses Verfahren jedoch mangels Erfolgsaussicht des Hauptsacheantrags zurück. Der diesbezügliche Beschluss wurde durch Beschwerdeentscheidung des Senats vom 10.11.2010 aufgehoben; der Antragstellerin wurde für den ersten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Auf die Gründe des Beschlusses vom 10.11.2010 wird Bezug genommen.

Nach erfolgter Anhörung des betroffenen Kindes, in welcher dieses seine ablehnende Haltung gegenüber Kontakten zur Mutter bekräftigt hatte, erklärten die Beteiligten die Hauptsache im Anhörungstermin am 16.12.2010 übereinstimmend für erledigt. Mit dem angefochtenen Beschluss erlegte das Amtsgericht der Antragstellerin daraufhin, die Kosten des Verfahrens auf. Zur Begründung führte es aus, die Antragstellerin hätte bereits bei Antragstellung erkennen müssen, dass die Erzwingung eines Umgangsrechts gegen den Willen eines 17-jährigen (bzw. bei Antragstellung nahezu 17- jährigen) keine Aussicht auf Erfolg hat.

Mit ihrer am 04.01.2011 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde begehrt die Antragstellerin eine dahingehende Kostenentscheidung, dass die Beteiligten die Gerichtskosten je zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten. Er hat die ihm zu ersetzenden außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszugs mit Kostenfestsetzungsantrag vom 23.12.2010, Bl. 24 f. d. A., auf 586,08 Euro beziffert. Der Verfahrenswert war vom Amtsgericht auf 3.000,00 Euro festgesetzt worden.

II. Die Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG). Der Beschwerdewert von 600,00 Euro nach § 61 Abs. 1 FamFG ist überschritten. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners (586,08 Euro gemäß der zutreffenden Berechnung im Kostenfestsetzungsantrag) und die hälftigen Gerichtskosten (22,25 Euro zuzüglich etwaiger Auslagen gem. Ziffer 1310 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG, ausgehend von einem Verfahrenswert von 3.000,00 Euro), deren Übernahme durch den Antragsgegner die Antragstellerin begehrt, belaufen sich auf insgesamt 608,33 Euro.

Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Zunächst einmal ist klarstellend festzustellen, dass sich die Hauptsache erledigt hat. Bei Kindschaftssachen betreffend den Umgang mit einem minderjährigen Kind handelt es sich gem. §§ 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB, 24, 26 FamFG um von Amts wegen zu führende Verfahren, welche einer Dispositionsbefugnis der Beteiligten und damit auch einer Beendigung durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten entzogen sind. Geht das Gericht infolge einer übereinstimmenden Erledigungserklärung davon aus, dass ein Regelungsbedürfnis für eine gerichtliche Umgangsregelung nicht (mehr) besteht, hat es die Erledigung des Verfahrens daher von Amts wegen festzustellen. Diese Feststellung ist Voraussetzung für die nach § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG zu treffende Kostenentscheidung.

Eine ausdrückliche Feststellung der Erledigung ist hier unterblieben. Dennoch sieht der Senat von einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG ab, weil davon auszugehen ist, dass die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung implizit die - von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde nicht angegriffene - Feststellung der Erledigung der Hauptsache beinhaltet. Diese ist daher lediglich klarstellend nachzuholen.

Der infolge der festgestellten Erledigung zu treffenden Kostenentscheidung hat das Amtsgericht zutreffend die §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG zu Grunde gelegt. Die vom Amtsgericht angestellten Ermessenserwägungen vermögen die getroffene Kostenentscheidung allerdings nicht zu tragen.

Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten eines Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG soll dass Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste. Auf diese Bestimmung hat das Amtsgericht die von ihm getroffene Kostenentscheidung zu Lasten der Antragstellerin gestützt und ausgeführt, die Antragstellerin hätte die fehlende Erfolgsaussicht ihres Antrags erkennen müssen.

Dabei verkennt das Amtsgericht, dass es sich bei dem Verfahren betreffend das Umgangsrecht - wie ausgeführt - nicht um ein auf Antrag eines Beteiligten zu führendes Verfahren, sondern um ein von Amts wegen eingeleitetes Verfahren handelte, an welchem die Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend zu beteiligen war. Bei dem Antrag der Antragstellerin vom 30.08.2010 handelte es sich nicht um einen verfahrenseinleitenden Antrag im Sinne des § 23 Abs. 1 FamFG, sondern um eine Anregung zur Einleitung eines Verfahrens im Sinne des § 24 Abs. 1 FamFG. Hätte das Gericht kein Bedürfnis für eine gerichtliche Umgangsregelung gesehen, hätte es von der Einleitung eines Verfahrens absehen und die Antragstellerin hierüber nach § 24 Abs. 2 FamFG informieren können.

Wenn das Gericht aber von Amts wegen ein Verfahren einleitet - wofür hier im Hinblick auf den fehlenden Kontakt zwischen der Antragstellerin und ihrem minderjährigen Kind auch hinreichende Veranlassung bestand - kann es für die spätere Kostenentscheidung nicht auf die Erfolgsaussicht etwaiger von den Beteiligten gestellter Anträge ankommen, bei denen es sich streng genommen eben nur um Anregungen handelt und an welche das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung ohnehin nicht gebunden ist.

Im Übrigen wären die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG hier selbst dann nicht erfüllt, wenn man auf die Erfolgsaussicht des von der Antragstellerin gestellten Antrags abstellen würde. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss des Senats vom 10.11.2010 Bezug genommen. Der Umstand, dass Kontakte zwischen der Antragstellerin und ihrem Sohn nicht stattfinden, reicht aus, um einem Antrag auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts eine hinreichende Erfolgsaussicht zu zubilligen.

Vor diesem Hintergrund sind im vorliegenden Fall keine Gründe ersichtlich, welche ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall der Kostenverteilung rechtfertigen würden. Da Gegenstand des Verfahrens Belange des gemeinsamen minderjährigen Kindes der Beteiligten sind, entspricht es billigem Ermessen, dass die Beteiligten die Gerichtskosten je hälftig und ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Dies gilt auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Von einer erneuten Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sieht der Senat ab, nachdem die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben und hiervon keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1, 42 Abs. 1 FamGKG. Er bemisst sich an dem Interesse der Beschwerdeführerin an der von ihr begehrten Kostenentscheidung.

Diehl Dr. Fritzsche Schmidt