OLG Frankfurt vom 22.12.1998 (2 UF 147/96)

Stichworte: Versorgungsausgleich, schuldrechtlicher Ausgleichsrente
Normenkette: Abk Deutschland/Polen soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt 91 II S Seite 743, in Kraft getreten am 1. Oktober 1991 EGBGB Art. 17 Abs. 3 S. 2
Orientierungssatz: Für die bis zum 31. Dezember 1990 erworbenen Anwartschaften kommt die Durchführung des öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleiches in der Form der Begründung von Anwartschaften in der Bundesrepublik nicht in Betracht, da sich die ausgleichsberechtigte Antragstellerin in Polen aufhält und dort ihren Wohnsitz hat. Diese Konsequenz ergibt sich aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (Sozialversicherungsabkommen 1975), das eine Übertragung von Anwartschaften oder eine Begründung von Anwartschaften gemäß § 1587b Abs. 1 oder 2 BGB, § 1 Abs. 2 VAHRG oder auch eine Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG nicht vorsieht und Leistungen aus dem Versorgungsausgleich nach Polen verhindert.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Bielefeldt und Krämer am 22. Dezember 1998 beschlossen:

Der Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 12. März 1996 wird abgeändert.

Der Antragsgegner hat an die Antragstellerin ab 1. August 1997 eine monatliche schuldrechtliche Ausgleichsrente von 233,00 DM zu zahlen, die künftig fällig werdenden Beträge monatlich im voraus.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben beide Parteien zur Hälfte zu tragen, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.596,00 DM festgesetzt.

G r ü n d e :

Die im Jahre 1953 geschlossene Ehe der Antragstellerin (geboren am 22. September 1929) mit dem Antragsgegner (geboren am 25. Juni 1934) ist durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 1. Februar 1994 nach polnischem Recht geschieden worden. Die Antragstellerin besitzt die polnische Staatsangehörigkeit und lebt in Polen, der Antragsgegner besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt in Deutschland. Die Antragstellerin, die in Polen und auch sonst keine Rentenanwartschaften erworben hat, hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der vom Antragsgegner in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften eingeleitet. Durch den angefochtenen Beschluß, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht diesen Antrag zurückgewiesen, weil mangels entsprechenden Vortrages nicht geprüft werden könne, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht gegen Grundsätze der Billigkeit verstoße (Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB). Die hiergegen geführte Beschwerde ist zulässig und hat den aus dem Tenor im einzelnen ersichtlichen Teilerfolg.

Da das für die Scheidung maßgebliche polnische Recht einen Versorgungsausgleich nicht vorsieht, ist der Versorgungsausgleich gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB auf Antrag der Antragstellerin bezüglich der vom Antragsgegner im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, erworbenen Anwartschaften durchzuführen, soweit seine Durchführung im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit der Billigkeit nicht widerspricht. Nachdem beim Antragsgegner zum 1. August 1997 der Rentenfall eingetreten ist, richtet sich die Höhe des Versorgungsausgleichs nach dem Ehezeitanteil der tatsächlich vom Antragsgegner bezogenen Renten. Nach der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Hessen vom 2. April 1998 (Bl. 160 ff. d. A.) beträgt der Ehezeitanteil der tatsächlich bezogenen Rente 1.683,33 DM. Daneben hat der Antragsgegner Anwartschaften bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder erworben. Der Ehezeitanteil der statischen Versicherungsrente beträgt 71,61 DM. Umgerechnet in den dynamischen Wert führt das zu 25,29 DM (71,61 DM x 12 als Jahreswert x Faktor 6 nach Tabelle 1 der Barwert-Verordnung, bezogen auf ein Alter des Antragsgegners bei Eheende von 58 Jahren x dem Umrechnungsfaktor von Beiträgen in Entgeltpunkte von 0,0001150612 nach der Rechengrößenverordnung zur Durchführung des Versorgungsausgleichs in der gesetzlichen Rentenversicherung, FamRZ 97, 333, x dem aktuellen Rentenwert für das erste Halbjahr 1993 = 42,63 DM). Die in der Ehe erworbenen Anwartschaften summieren sich deshalb auf 1.708,62 DM. Hiervon würde grundsätzlich der Antragstellerin die Hälfte als Ausgleich gebühren. Entsprechend der Verfügung des Senats vom 25. November 1997 ist aber im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin nach der Trennung der Parteien, die in den Jahren 1980 bis 1982 erfolgt ist, keine eigenen Rentenanwartschaften erworben hat, ohne im einzelnen darzulegen, daß ihr das nicht möglich gewesen wäre. Außerdem ist der Unterschied in der Kaufkraftparität und der Währungsparität zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen zu berücksichtigen. Diese Wertung nimmt der Senat dahin vor, daß dem Antragsgegner der Pauschalbetrag des sogenannten angemessenen Mindestbedarfs von 1.800,00 DM verbleiben muß, damit er demgegenüber nicht unzumutbar belastet wird. Da die von ihm tatsächlich bezogene Rente nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages und Beitrages für Pflegeversicherung nach der Auskunft der verfahrensbeteiligten Rentenversicherung vom 6. Juni 1997 insgesamt 1.961,73 DM beträgt, der der von der Verfahrensbeteiligten zu 2) gezahlte Rentenbetrag von 71,61 DM hinzuzusetzen ist, so daß sich insgesamt 2.033,34 DM ergeben, ist er noch zur Zahlung von - abgerundet - 233,00 DM insgesamt verpflichtet (2.033,34 DM - 1.800,00 DM).

Hinsichtlich der Form des Ausgleiches der Versorgungsanwartschaften gilt folgendes: Für die bis zum 31. Dezember 1990 erworbenen Anwartschaften kommt die Durchführung des öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleiches in der Form der Begründung von Anwartschaften in der Bundesrepublik nicht in Betracht, da sich die ausgleichsberechtigte Antragstellerin in Polen aufhält und dort ihren Wohnsitz hat. Diese Konsequenz ergibt sich aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (Sozialversicherungsabkommen 1975), das eine Übertragung von Anwartschaften oder eine Begründung von Anwartschaften gemäß § 1587b Abs. 1 oder 2 BGB, § 1 Abs. 2 VAHRG oder auch eine Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG nicht vorsieht und Leistungen aus dem Versorgungsausgleich nach Polen verhindert. Nach dem Sinn und Zweck dieses Deutsch-Polnischen Abkommens ist lediglich die Auszahlung von Renten durch den jeweiligen Versicherungsträger des jeweiligen Landes, in dem der Berechtigte Versicherungsnehmer wohnt, vorgesehen. Auch wenn zunächst daran zu denken ist, daß der öffentlich rechtliche Versorgungsausgleich durch Begründung eines Rentenkontos in der Bundesrepublik in Betracht kommt (vgl. insoweit BGH NJW 1983, 512 f.) scheidet diese Möglichkeit dennoch aus, weil sich diese Art der Durchführung nicht zugunsten des Ausgleichsberechtigten auswirken würde (§ 1587b Abs. 4 BGB). Der Senat hält insoweit in seiner in der Verfügung vom 25. November 1997 angekündigten Rechtsauffassung fest. Diese wird eingehend von Paetzold dargelegt (Rahm/Künkel/Paetzold, Handbuch des Familienrechts, VIII Rdnr. 1146 f., insbesondere 1155; ebenso Münchener Kommentar-Maier, 2. Aufl., § 1587a Rdnr. 172; RGR Kommentar-Wick, Ergänzungsband, § 1587a Rdnr. 103; OLG Hamm, FamRZ 94, 573, 579; OLG Karlsruhe FamRZ 89, 389).

Eine Rechtsänderung ist jedoch durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt 91 II S Seite 743; in Kraft getreten am 1. Oktober 1991) eingetreten, (vgl. dazu Paetzold, a.a.O. Rdnr. 1146 f., insbesondere 1158 f.). Mit diesem Abkommen wird auch im Bereich der Rentenversicherung das Prinzip des Leistungsexports verwirklicht, wobei der jeweilige Rentenversicherungsträger Leistungen auch dann erbringt, wenn der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im anderen Vertragsstaat hat. Das gilt aber nur für die Anwartschaften, die ab 1. Januar 1991 erworben worden sind. Insoweit könnte grundsätzlich der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Der Auskunft der Verfahrensbeteiligten zu 1) vom 6. Juni 1997 ist insoweit zu entnehmen, daß der Antragsgegner im Jahre 1991 0,8329 Entgeltpunkte, im Jahre 1992 0,8554 Entgeltpunkte und im Jahre 1993 bis zum 31. März 0,2153 Entgeltpunkte, zusammen 1,9036 Entgeltpunkte erworben hat. Multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert für das erste Halbjahr 1993 von 42,63 DM ergeben sich monatliche Anwartschaften von 81,15 DM. Der hälftige Betrag hiervon, also 40,58 DM, könnte demgemäß zugunsten der Antragstellerin gemäß § 1587b Abs. 1 BGB auf ein für sie zu errichtendes Versicherungskonto übertragen werden. Jedoch würde sich diese Übertragung nicht zugunsten der Antragstellerin auswirken, denn die erforderliche Wartezeit würde dadurch nicht erfüllt werden, weil 40,58 DM lediglich 15,23 DM Wartezeitmonaten entsprechen (§ 83a Abs. 5 AVG: 40,58 DM monatliche Rente = 1,9036 : 2 = 0,9518 Entgeltpunkte : 0,0625 = 15,23 Monate), 60 Monate Wartezeit aber für den Bezug der Altersrente Voraussetzung sind. Auch insoweit findet deshalb gem. § 1587b Abs. 4 BGB der schuldrechtliche Ausgleich statt.

Der Ausgleichsbetrag von 233,00 DM ist schuldrechtlich auszugleichen, indem die Verpflichtung des Antragsgegners zur monatlichen Zahlung dieses Betrages ausgesprochen wird.

Da der Versorgungsausgleichsanspruch Vorrang gegenüber dem Unterhaltsanspruch hat (Palandt-Diederichsen, BGB, § 1587h Rdnr. 4), wird der Bezug der Ausgleichsrente im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegenüber dem Unterhaltsurteil vom 1. Februar 1994 - 531 (77) F 2100/92 AG Kassel - geltend zu machen sein.

Der Versorgungsausgleich ist vom Zeitpunkt des Rentenbezuges an (1. August 1997) durchzuführen. Der Senat stellt deshalb zusätzlich klar: Wenn und soweit der Antragsgegner den Anspruch aus dem Unterhaltsurteil vom 1. Februar 1994 für die Zeit ab 1. August 1997 erfüllt haben sollte, ist in diesem Umfang auch der Ausspruch auf die mit diesem Beschluß zuerkannte Ausgleichsrente erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93a ZPO.

Schreiber Krämer Bielefeldt