OLG Frankfurt vom 25.07.2000 (1 UF 352/99)

Stichworte: VA, Vereinbarung VA, Verzicht, Vereinbarung, Genehmigungsfähigkeit VA, Trennung, lange
Normenkette: BGB 1587o, 1587c
Orientierungssatz: Zur Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Vereinbarung (Verzicht, Teilverzicht) über den Versorgungsausgleich, wenn die Parteien lange getrennt gelebt haben.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich im Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 29.11.1999 am 25.07.2000 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch zum Versorgungs- ausgleich abgeändert. Die Vereinbarung der Parteien zur Durchführung des Versorgungsausgleichs vom 08.11.1999 wird genehmigt.

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, Konto- Nr. 56 010123 E 005/AL 4300, werden auf das Versicherungs- konto für die Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, Konto-Nr. 53 150324 S 562, Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 30.11.1998 abgelaufen war, in Höhe von 450,-- DM monatlich übertragen.

Der übertragene Rentenbetrag ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Ein weitergehender Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten 1. Instanz bleibt es bei der Entscheidung in dem angefochtenen Urteil.

Beschwerdewert: 4055,64 DM.

G r ü n d e:

Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es die von dem Antragsgegner während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2.108.47 DM sowie seine volldynamische betriebliche Altersversorgung in Höhe von jährlich 11.603,16 DM in den Ausgleich einbezogen, und auf Seiten der Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 706,26 DM und ebenfalls volldynamische Anwartschaften aus einer betrieblichen Zusatzversorgung in Höhe von monatlich 772,61 DM. Den Ausgleich hat das Familiengericht in der Weise durchgeführt, dass es im Wege des Splitting Rentenanwartschaften in Höhe von 701,11 DM auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen hat sowie durch erweitertes Splitting weitere 86,80 DM. Hinsichtlich des noch verbleibenden Ausgleichsbetrages zugunsten der Antragstellerin wurden die Parteien auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.

Die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.1999 getroffene Vereinbarung, wonach der Versorgungsausgleich auf die Übertragung von monatlichen Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 450,-- DM zugunsten der Antragstellerin beschränkt werden sollte, hat das Familiengericht nicht genehmigt. Zur Begründung wird in dem Urteil ausgeführt, die seit den Jahren 1970 vollzogene Trennung der Eheleute rechtfertige eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs nicht. Der Antragsgegner habe es ohne weiteres in der Hand gehabt, seit langem einen Scheidungsantrag zu stellen. Dass er dies unterlassen habe, dürfe sich nicht nachteilig zu Lasten der Antragstellerin auswirken. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner der Antragstellerin im Jahre 1970 26.700,-- DM überlassen habe, ändere an dieser Beurteilung nichts.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, mit der er die Genehmigung der Vereinbarung der Parteien zum Versorgungsausgleich anstrebt. Zur Begründung führt er aus, die von den Parteien getroffene Vereinbarung stelle auf Grund der besonderen Lebensituation der Parteien, insbesondere unter Berücksichtigung der langen Trennungsdauer, der vermögensrechtlichen Situation und ihres Unterhaltsbedarfs eine angemessene Regelung dar und sei keinesfalls offensichtlich unangemessen, wie das Familiengericht meine.

Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und auch in der Sache selbst begründet. Der von den Parteien getroffenen Vereinbarung über den teilweisen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs durfte die Genehmigung nicht versagt werden. Unter Berücksichtigung der konkreten Lebenssituation der Parteien, insbesondere des Verlaufs ihrer Ehe, sind Art und Höhe des vereinbarten Ausgleichs nicht unangemessen (§ 1587 o Abs. 2 BGB).

Von besonderem Gewicht ist dabei, dass die Parteien bereits seit 1970 getrennt leben. Der in der Ehe geborene Sohn war zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Jahre alt, so dass die Antragstellerin in der Folgezeit nicht durch die Betreuung eines Kindes daran gehindert war, selbst durch eine Erwerbstätigkeit eine angemessene Altersversorgung zu erreichen. In einer solchen Situation kann es bereits nach § 1587 c Ziff. 1 BGB geboten sein, den Versogungsausgleich herabzusetzen (BGH NJW 1993 S. 588). Soweit des Familiengericht die Berücksichtigung der Trennungszeit mit der Begründung verneint hat, eine Scheidung der Ehe sei jederzeit möglich gewesen, widerspricht dies dem grundsätzlichen Ziel, Ehen möglichst zu erhalten (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB 59. Aufl., Anm. 9 zu § 1587 c). Aus diesem Grund kann der Verzicht auf die Scheidung der Ehe nicht als Argument für die Versagung der von den Parteien begehrten Genehmigung herangezogen werden. Zwar wird im Rahmen der Ausschlussgründe des § 1587 c BGB neben einem länger dauernden Getrenntleben noch das Vorliegen weiterer besonderer Umstände für eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs oder den völligen Ausschluß gefordert, doch gelten für die Prüfung von Vereinbarungen nach § 1587 o BGB nicht die gleichen strengen Maßstäbe. Selbst gemessen an engen Maßstäben erscheint die Reduzierung des Versorgungsausgleichs vorliegend aber sachgerecht. Zum einen ist zugunsten der Antragstellerin ein Vermögensausgleich dadurch erfolgt, dass ihr im Jahre 1970 ein Betrag in Höhe von 26.700,-- DM zugewendet wurde, den sie - unter Aufstockung durch eigene Beiträge - zum Erwerb einer Eigentumswohnung verwendet hat. Außerdem hat die Antragstellerin aus eigener Erwerbstätigkeit eine monatliche Rente von insgesamt mehr als 1.700,-- DM. Der Antragsgegner hat zwar mit rund 3.700,-- DM monatlich eine wesentlich höhere Rente zur Verfügung, doch hat er auf Grund einer Schwerbehinderung einen deutlichen Mehrbedarf. Er ist herzkrank und an einem Bein unterschenkelamputiert. Für tägliche Verrichtungen und zur Erhaltung der Mobilität hat er somit zusätzliche Aufwendungen. Die Antragstellerin hat ihm insoweit einen Mehrbedarf in Höhe von monatlich 1.000,-- DM zugewilligt. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts stellt die von den Parteien vereinbarte Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf monatlich 450,-- DM bei, einer Gesamtabwägung der Lebensumstände beider Parteien keinen unangemessenen Ausgleich dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93 a ZPO, 1, 8 GKG. Die Wertfestsetzung folgt aus § 17 a GKG.

Juncker Carl Michalik