OLG Frankfurt vom 22.12.2000 (1 UF 131/00)

Stichworte: Jahresbetrag der Unterhaltsforderung, Streitwert
Normenkette: GKG 17 Abs. 1, 4 S. 3
Orientierungssatz: Zum Berufungswert von Unterhaltsachen nach neuem Kostenrecht. Zur Berechnung des "Jahresbetrags der Uterhaltsforderung", wenn der Jahreszeitraum nach der Klageeinreichung im Berufungsrechtszug außer Streit steht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschweiler, die Richterin am Oberlandesgericht Michalik und den Richter am Oberlandesgericht Juncker aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2000 für Recht erkannt:

Das am 17.03.2000 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts Familiengericht - Frankfurt am Main wird im Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt (Absatz 4 der Urteilsformel) wegen offensichtlichen Formulierungsversehens berichtigt und wie folgt neu gefasst: Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin ab 15.08.2000 unter Einbeziehung des durch Teilanerkenntnisurteil vom 10.02.2000 zuerkannten Betrages einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.334,06 DM zu zahlen, jeweils monatlich im voraus.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Antragsgegners gegen das vorgenannte Verbundurteil wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert wird auf 16.008,-- DM festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Mit dem angefochtenen Verbundurteil, auf das im übrigen Bezug genommen wird, ist die Ehe der Parteien geschieden, das Sorgerecht für das aus der Ehe hervorgegangene Kind J., geboren am 13.04.1995, der Antragstellerin übertragen, der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragsgegner verurteilt worden, an die Antragstellerin über (durch Teilanerkenntnisurteil vom 10.02.2000) anerkannte 1.034,06 DM weitere 300,-- DM, jeweils monatlich, an Unterhalt zu zahlen. Die weitergehende, auf insgesamt 1.552,29 DM monatlich (unter Einschluß des anerkannten Betrages) gerichtete Klage ist abgewiesen worden.

Mit dem genannten Teilanerkenntnisurteil hat das Amtsgericht anerkennungsgemäß der Antragstellerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.034,06 DM zuerkannt, jedoch befristet bis längstens 01.05.2003.

In den Gründen des Verbundurteils ist zum nachehelichen Unterhalt aufgeführt, dass die nicht vorhersehbare Entwicklung der Betreuungssituation des Kindes eine Befristung des Unterhalts, wie erstrebt, nicht zulasse.

Gegen das ihm am 14.04.2000 zugestellte Verbundurteil hat der Antragsgegner am 10.05.2000 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 11.07.2000, nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 13.07., begründet. Er erstrebt weiterhin die Befristung des im übrigen der Höhe nach nicht beanstandeten nachehelichen Unterhalts bis 01.05.2003. Dann sei das Kind 8 Jahre alt und erlaube eine Erwerbstätigkeit der betreuenden Mutter. Im übrigen weist er darauf hin, dass die Ehe der Parteien nur von kurzer Dauer gewesen sei, nämlich ab Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages 2 Jahre und 6 Monate. Die Zeit des tatsächlichen Zusammenlebens habe weniger als 1 1/2 Jahre gedauert. Er beanstandet auch die Nichtanrechnung des Pflegegeldes, was dazu führe, dass ihr an Pflegegeld und Unterhalt mehr verbleibe als ihm nach Abzug des zuerkannten Unterhalts.

Der Antragsgegner beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit er zur Zahlung von Unterhalt über den 01.05.2003 hinaus verurteilt ist.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Berufung des Antragsgegners gegen das - wie noch auszuführen, im Tenor berichtigte - Urteil betreffend nachehelichen Unterhalt ist nicht begründet.

Der Senat teilt die Wertung des Amtsgerichts, wonach angesichts der unstreitigen schweren Behinderung des Kindes eine Prognose über Dauer und Intensität der notwendigen Betreuung und damit den möglichen Wegfall der Voraussetzungen des Unterhaltstatbestandes gemäß § 1570 BGB nicht möglich ist. Derartige Feststellungen sind demnach dem Abänderungsverfahren gemäß § 323 ZPO vorbehalten. Die Antragstellerin wird im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung (§ 1580 BGB) in angemessenen Zeitabständen hierüber Auskunft zu erteilen haben.

Die vom Antragsgegner aufgeworfene Frage der Dauer der Ehe ist nicht entscheidungserheblich. Sofern dies auf den Einwand des § 1579 Nr. 1 BGB abzielt, ist zu beachten, dass die Dauer der Kindesbetreuung der Dauer der Ehe hinzuzurechnen ist. Im übrigen unterliegt der Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB keiner Befristung.

Ob und in welcher Höhe die Antragstellerin nach dem berufungsgegenständlichen Zeitpunkt 01.05.2003 Pflegegeld beziehen wird und die Frage der etwaigen Anrechnung auf den Unterhalt ist ebenfalls einem etwaigen Abänderungsverfahren vorbehalten, da auch insoweit derzeit keine verlässliche Prognose möglich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Senat hat im Rahmen seiner Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung das angefochtene Urteil gemäß § 319 ZPO berichtigt, da es ausweislich der Entscheidungsgründe ersichtlich der Wille des erkennenden Gerichts war, den gesamten Unterhalt, also auch den befristet anerkannten Betrag nach Ablauf der Befristung, unbefristet zuzusprechen. Dies ist indessen in der Urteilsformel nicht zum Ausdruck gebracht worden. Bei dieser Gelegenheit ist der Zeitpunkt des Beginns der Unterhaltsverpflichtung ab Rechtskraft der Scheidung, die mit Ablauf des 14.08.2000 eingetreten ist (§ 629 a Abs. 3 ZPO), in der Urteilsformel mit ausgesprochen worden.

Der Berufungswert entspricht dem Jahresbetrag der streitigen Unterhaltsforderung nach Ablauf der Befristung (§ 17 Abs. 1 GKG). Allerdings wäre nach dem buchstäblichen Wortlaut dieser Bestimmung die Berufung ohne jeden Wert, da der nacheheliche Unterhalt für die ersten 12 Monate nach Eingang der Klage, an deren Stelle hier der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung tritt, nach Grund und Höhe unstreitig ist. Die derzeitige Fassung der genannten Bestimmung, mit der der Jahresbetrag der Unterhaltsforderung auf die ersten 12 Monate nach Klageeingang konkretisiert worden ist, beruht auf dem Kindesunterhaltsgesetz vom 06.04.1998 und steht in thematischen Zusammenhang mit der gleichzeitig vorgenommenen Änderung des § 17 Abs. 4 Satz 3 GKG betreffend das vereinfachte Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger. Damit sollte klargestellt werden, dass künftige Erhöhungen des Unterhalts, der gemäß § 1612 a BGB als relative Größe zuerkannt wird und dessen künftige Erhöhung damit bereits jetzt tituliert sind, auf den Streitwert keine Auswirkungen haben sollten. Nach Sinn und Zweck dieses Gesetzes kann dies aber nicht dazu führen, dass in den Fällen, in denen überhaupt nur über künftigen Unterhalt gestritten wird, der Zeitraum zwischen Klageeinreichung und dem Beginn dieser Unterhaltsverpflichtung auf die Bemessung des Streitwerts ohne Einfluß bleiben sollte. An deren Stelle tritt vielmehr in solchen Fällen der Zeitpunkt des Beginns der streitigen Unterhaltsverpflichtung. Dies ist hier der berufungsgegenständliche Unterhalt ab 01.05.2003.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker